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Jungen sind Praktiker. In der „GenerationenWerkstatt" erleben sie männliche Vorbilder, die sonst fehlen.

„Look at the boys“ („Achtet auf die Jungs“) – dieser Satz des Pfadfindergründers Robert Baden-Powell brennt nach wie vor: Denn abseits von Pubertät und Lernschwierigkeiten stecken vielfache Potenziale in den jungen Kerlen. Die Osnabrücker Ursachenstiftung will helfen, die Talente zu fördern.

Praxistermin in der Autowerkstatt. Begeistert packen die Schüler mit an. Foto: Stefan Buchholz

Dass es sich einmal um einen Traktor gehandelt hat, ist nur an den großen Hinterrädern zu erkennen. Der „Fendt“, Baujahr 1960, steht ohne Fahrersitz, Motorhaube und wesentlichen Teilen seiner Maschine in der Werkstatt des Autohauses Wernsing in Bersenbrück. Irgend-wie halbnackt sieht der Schlepper aus. Und es wird ihm weiter an die „Wäsche“ gehen. Denn heute sind wieder vier Schüler von der Von-Ravensberg-Schule in Bersenbrück da.
„Diesmal werden wir die Getriebeglocke abnehmen und uns bis zur Kupplung vorarbeiten“, sagt Heinrich-Josef Wernsing, Seniorchef der Autovertretung. Dazu müssen Jan, Erik, Marcel und Justin erst einige und teilweise sehr festsitzende Muttern lösen. Danach folgt der heikelste Teil: Ohne diese Muttern zerfällt der Oldtimertraktor nämlich in zwei Teile. Jetzt braucht es Wagenheber und jede Hand, um die beiden Hälften auseinanderzuziehen.

Schrauben, bohren, heben, hämmern
Die Schraubermission, der Wernsing und die vier Jungs angehören, nennt sich „GenerationenWerkstatt“. Organisiert wird sie von der „Ursachenstiftung Osnabrück“, die 2008 von einem Unternehmer gegründet wurde. Eines ihrer Ziele ist die Verbesserung von Lernsituationen und Zukunftsperspektiven der Jugendlichen. Die Stiftung ist zugleich Teil der bundesweiten Initiative „Männer für morgen“ des Neurobiologen Gerald Hüther.
Der Wissenschaftler meint: Das Gehirn ist ein Organ, durch das Orientierung in der Welt gelingt. Geformt wird das Hirn aber auch erst im Kontakt mit der Welt. Jungen fixieren sich von klein auf stärker im Außenraum. Deshalb findet die Hirnentwicklung bei Jungen unter anderen Rahmenbedingungen statt als bei Mädchen. Vergleicht man das kindliche Gehirn mit einem Orchester, dann rücken bei den Jungen die Pauken und Trompeten eher in den Vordergrund, sagt Hüther. Schaue man in ihrer späteren Entwicklung genauer hin, lasse sich beobachten, dass Jungen sehr offen für praktische Dinge seien. „Wenn sie das Gefühl haben, dass sie wichtig sind und dass sie zu irgendetwas beitragen können.“

„Die Jungs profitieren von den Praxisterminen“
Seniorchef Wernsing hat das gespürt, als die vier Schüler zum ersten Mal in seine Werkstatt kamen. Eigentlich wollte er mit ihnen den Motor eines alten Ford Capri auseinandernehmen. „Aber da hätte immer nur einer was machen können.“ Bei der Zerlegung des Schleppers können alle mit anpacken.
Männer wie Wernsing braucht es, ist Gerald Hüther überzeugt. Denn neben dem Vater benötigten Jungen auch andere Männer, die Halt vermittelten. Das gemeinsame Schrauben mit Senior Wernsing beschreibt der 15-jährige Jan Krehe wortkarg, aber prägnant als „sehr angenehm“. Mit seinem Vater bastele er zu Hause auch an einem alten Wagen. Was ihm in Wernsings Werkstatt gefalle seien zwei Dinge: „Es bringt Spaß, weil ich etwas dazulerne und ich kann alles fragen.“
Es bringe auch was in Sachen Berufsorientierung, sagt sein Schulkamerad Justin Jankowski, als er nach einem flachen Schraubenzieher sucht. „In der Schule sollte das, was wir hier machen, viel öfter angeboten werden.“
Sein Fachlehrer zieht auch ein positives Fazit. „Die Jungs profitieren durchweg von den Praxisterminen. Als Rückmeldung bekomme ich immer wieder von den Schülern gespiegelt, dass sie mir sagen: Ich kann ja doch etwas“, berichtet Dominik Welp. Seine Schule hat auf die positiven Erfahrungen reagiert. Mittlerweile hat man in den Ganztagsbetrieb fünf Projekte der Generationenwerkstatt in die schulische Berufsvorbereitung eingebaut.

„Es bringt Spaß, weil ich etwas dazulerne“
Ganz zweckfrei beteiligt sich auch das Autohaus Wernsing nicht an der Generationenwerkstatt. Wenn die vier Schüler ein Halbjahr alle zwei Wochen für drei Stunden in den Betrieb kommen, hat der Seniorchef nicht nur ein waches Auge für besonders aufgeweckte Kandidaten. Sie will er für künftige Ausbildungsstellen anwerben. Dafür lässt sich das Autohaus auch etwas kosten: An den Nachmittagen mit den Schülern hat man die Arbeitskraft des Seniorchefs sogar ganz aus dem normalen Betrieb rausgenommen. Das bedeutet, dass man dann weniger Kundenaufträge annimmt. Ein Zeichen, dass der „Run auf die Fachkräfte von morgen“ nicht nur für das Bersenbrücker Autohaus längst eingesetzt hat. Und man wieder das Potenzial der Jungen entdeckt.

Von Stefan Buchholz

Zur Sache
Die „GenerationenWerkstatt“ ist eine generationenübergreifende Aktion von Unternehmen im Mittelstand, die sich speziell an Jungen richtet. Schüler zwischen zwölf und 15 Jahren kommen in eine Werkstatt, lernen das Unternehmen kennen und schaffen dort etwas unternehmensspezifisch Neues. Eine erfahrene Person unterstützt sie dabei und vermittelt wichtige Fähigkeiten. Mit der Aktion soll der Nachwuchs gefördert und Begeisterung geweckt werden. Unternehmen haben die Möglichkeit, Auszubildende kennenzulernen und es bildet sich eine Brücke zwischen Handwerk, Elternhaus und Schule.  

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